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Die Olivenöl-Reise

Eine Reise, zwei Länder, fünf Etappen von Arkadius Michalczyk



Eine Olivenöl-Reise zu unternehmen, war ein bereits seit Jahren von mir gehegter Wunsch, der in diesem Jahr endlich in Erfüllung gegangen ist. Pünktlich zum Beginn der Erntesaison habe ich mich Ende Oktober zunächst nach Andalusien begeben, um von dort aus weiter nach Italien zu reisen und alle meine Lieferanten zu besuchen, das neue Olivenöl zu probieren und noch mehr über die Geheimnisse der Produktion von nativem Olivenöl extra zu erfahren. Meine Erwartungen wurden, wie man auf den nachfolgenden Seiten lesen kann, nicht enttäuscht.


Die erste Etappe: Andalusien

Die erste Etappe der Olivenöl-Reise hat mich nach Spanien, genauer gesagt nach Andalusien geführt. Spanien ist das mit Abstand größte Olivenöl produzierende Land der Welt. Hauptsächlich wird das Olivenöl in Andalusien produziert, wo vor allem in der Provinz Jaen riesige Olivenhaine die Oliven für die industrielle Olivenölproduktion liefern. Man ist insbesondere in dieser Provinz bestrebt möglichst viel Öl aus der Olive zu gewinnen, wobei die Qualität in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle spielt. Aus diesem Grund bin ich gar nicht erst dorthin gefahren, sondern in die Provinz Cadíz, wo in Olvera ebenfalls Olivenöl produziert wird, um mir einen Eindruck von einer mittelgroßen spanischen Olivenölmühle zu verschaffen. Der sich mir bietende Anblick war beeindruckend, da ich bisher nur kleine, italienische Olivenmühlen kannte. Als ich den Leiter der Olivenmühle traf, sagte mir dieser, dass in Jaen die Anlagen noch deutlich größer seien. Dankenswerterweise hat sich der Leiter dieser Anlage fast zwei Stunden Zeit genommen, um mich herumzuführen und seine Produktion zu erklären. Die Anlage verfügt über vier Zentrifugen, wovon lustiger Weise zwei davon in Deutschland hergestellt wurden. Er hat die Besonderheiten seiner Produktionsform erklärt und auch ein Wenig aus dem Nähkästchen geplaudert. Beispielsweise hat er davon erzählt, wie er einmal mehrere tausend Liter natives Olivenöl an ein anderes Unternehmen verkauft. Dieses Unternehmen hat es an ein anderes Unternehmen und dieses wiederum an noch ein Weiteres. Als es bei dem vierten Unternehmen angekommen ist, war es nicht mehr nur natives Olivenöl, sondern es hatte bereits die höchste Güteklasse, natives Olivenöl extra. Ein typisches Beispiel für Betrug im Olivenölhandel.

Ich bekam natürlich auch die Gelegenheit das frisch extrahierte Olivenöl zu probieren, es schmeckte wie Olivensaft, aber da es noch nicht dekantiert war, war es schwierig ein abschließendes Urteil darüber zu fällen. Besonders auffällig war, dass das Olivenöl sehr warm war. Eigentlich ist eine der Grundvoraussetzungen, um die Güteklasse nativ extra zu erreichen, bei maximal 27 Grad Celsius kalt zu extrahieren, auch wenn ich kein Thermometer dabei hatte, bin ich mir sicher, dass dieses Olivenöl mindestens eine Temperatur von 32 Grad Celsius hatte. Die Erhöhung der Temperatur beim Mahlvorgang führt immer zu einer höheren Ausbeute, aber zu einer geringeren Qualität. Die Polyphenole werden nämlich bei erhöhten Temperaturen zerstört. Gleiches gilt für den erhöhten Einsatz von Wasser beim Spülen des Olivenöls, die Polyphenole werden dabei förmlich weggespült und landen im Abwasser. Damit verliert das Olivenöl nicht nur an Aromen und Geschmack, sondern eben einen Großteil der Substanzen namentlich die Polyphenole, die Olivenöl zu etwas Besonderem machen und von allen anderen Ölen und Fetten unterscheiden.

Die zweite Etappe der Olivenölreise: Sizilien.

Nach einer Übernachtung am Madrider Flughafen ging es am frühen Morgen in freudiger Erwartung endlich hervorragende Olivenöle der neuen Ernte probieren zu können weiter nach Catania. Eine halbe Stunde nach der Landung saß ich in meinem Leihwagen auf dem Weg nach Bronte, der Welthauptstadt der Pistazien am Fuße des Ätna. In Bronte angekommen, fand ich nach kurzer Zeit die Olivenmühle, betrat die Produktionsstätte und war schlichtweg überwältigt. Der Geruch von frischen, grünen Oliven lag in der Luft, die Olivenmühle lief auf Hochtouren und ein über beide Ohren lächelnder Frantoiano (die italienische Berufsbezeichnung für eine Olivenöl produzierende Person) Gaetano Costa kam auf mich zu, gab mir jeweils ein Küsschen rechts und links, eine im Süden Italiens typische Begrüßung unter Männern und mir war vom ersten Moment an klar, dass ich hier an der richtigen Adresse bin, ausgezeichnete Olivenöle probieren zu können.

In den nachfolgenden Tagen wurde mein erster Eindruck vollständig bestätigt. Die Familie Costa hat mich von Anfang an wie einen alten Bekannten behandelt, obwohl wir uns noch nie begegnet sind. Diese sizilianische Gastfreundlichkeit ist schon etwas Besonderes. Das wunderschöne an dieser Olivenmühle ist einerseits die familiäre Atmosphäre und andererseits die Vielzahl an Bauern, die ihre Oliven zur Extraktion in die Mühle bringen. Die Oliven jedes Bauers werden separat verarbeitet, so dass man mit ein bisschen Erfahrung und Übung bereits anhand der angelieferten Oliven erkennen kann, ob das extrahierte Olivenöl gut sein wird oder nicht. Die in dieser Gegend am weitesten verbreitete Olivensorte heißt Nocellara Etnea, wobei es selten passiert, dass ein Erzeuger nur Oliven dieser Sorte anliefert, denn die Blüten benötigen zur Bestäubung die Pollen einer anderen Gattung, so kommen auf 100 Bäume der Sorte Nocellara Etnea etwa zwei bis drei Bäume Biancolila oder Moresca. Die Möglichkeit Olivenöl in dieser reinen Form mit vollständigem Bezug zwischen Rohstoff und Produkt zu probieren, erhält man nur, wenn man sich auf den Weg in die Olivenmühle macht, denn später werden die verschiedenen Olivenöle vom Frantoiano gemischt und dann in Silos bis zur Abfüllung aufbewahrt. Zwar unterscheidet der Frantoiano die unterschiedlichen Qualitäten voneinander und mischt diese entsprechend, um ein bestimmtes Produkt zu kreieren. Dafür trennt er nicht nur die unterschiedlichen Qualitäten, sondern mischt mitunter auch verschiedene Olivensorten, um ein ausgewogenes Olivenöl zu erhalten, dazu mehr im Bericht zur vierten Etappe in der Toskana. Gaetano hat mich außerdem in die Geheimnisse der Verarbeitung der Oliven eingeweiht und mir erklärt, wie wichtig es ist, jede Charge Oliven gesondert zu betrachten und die Geräte entsprechend einzustellen. Ganz wichtig ist hierbei die Temperatur beim Mahlvorgang, wenn man von kalt extrahiertem Olivenöl spricht (Wichtig: Extrahiert, nicht gepresst, das macht heute fast niemand mehr), meint man, dass diese 27° Celsius nicht übersteigen darf. Allerdings bedeutet es nicht, dass alle Oliven bei dieser Temperatur gemahlen werden müssen, reifere Oliven werden etwa bei dieser Temperatur gemahlen, wobei der Vorgang nur etwa 20 – 30 Minuten dauert, während unreife Oliven, bei niedrigeren Temperaturen zwischen 21 und 24° Celsius gemahlen werden, der Vorgang aber bis zu 60 Minuten dauern kann.

Auch der Wassereinsatz beim Mahlvorgang spielt eine entscheidende Rolle, je weniger Wasser zugefügt werden muss, umso besser wird die Qualität des Endprodukts. Unreife Oliven enthalten mehr Polyphenole (positiv), aber einen geringeren Ölgehalt, reife Oliven haben einen höheren Ölgehalt, allerdings auch einen höheren Fettsäuregehalt (negativ) höhere Temperaturen beim Mahlvorgang bedeuten eine höhere Ausbeute von bis zu 22% (Beispiel aus 100kg Oliven werden 22kg Olivenöl gewonnen, bei richtig guten Olivenölen liegt die Ausbeute im Bereich zwischen 10 und 15%), aber weniger Polyphenole und damit eine geringere Qualität, erhöhter Wassereinsatz führt zu einer höheren Ölausbeute und der Frantoiano kann sicher sein, dass in der Zentrifuge alles glatt geht, aber auch dadurch verliert das Olivenöl an Qualität. Letzten Endes entscheidet jeder Schritt in der Verarbeitung angefangen bei der Qualität der verwendeten Oliven, über Qualität oder Quantität und es gibt nichts dazwischen. Welches Ziel eine Olivenmühle verfolgt, hängt von den bestehenden Distributionskanälen ab. Verfügt man über seine eigene Marke und verkauft direkt an Endkunden, wird man im Normalfall bestrebt sein, höchste Qualität zu erzeugen, hohe Verkaufspreise zu erzielen und sich damit von Marktpreisen zu entkoppeln. Besteht diese Möglichkeit nicht und man verkauft das Olivenöl stattdessen als lose Ware an Zwischenhändler, wird man immer bestrebt sein eine möglichst hohe Ölausbeute zu erzielen, weil der Preis sich nach dem Marktpreis richtet und einem die bessere Qualität ohnehin keiner bezahlen würde. Gaetano hat sich immer wieder vergewissert, ob mir das alles klar sei, in der nach jedem zweiten Satz frug, „Mi stai capendo?“ oder „Capiste?“(Sizilianischer Dialekt), nach gewisser Zeit habe ich dann gelernt entsprechend darauf zu antworten „Ou capivo“ (Ich verstehe), statt auf Hoch-Italienisch „Ho capito“. Es war sehr interessant zu schmecken, wie stark sich tatsächlich der Geschmack einzelner Lots voneinander unterscheidet und wie sich das Erklärte dann genauso im Produkt widergespiegelt hat.

Wir haben dann am gleichen Tag noch einen Bekannten von ihm besucht, der tatsächlich noch eine Olivenmühle mit Pressen statt einer Zentrifuge betreibt, etwas von dem ich dachte, dass es das nicht mehr gäbe. Allem Anschein nach ist die Daseinsberechtigung dieser Form der Olivenölproduktion auch fragwürdig, denn Gaetano und sein Bekannter waren vor einigen Jahren gemeinsam auf der Messe „Olio Capitale“ in Triest und haben beide am Olivenöl-Wettbewerb teilgenommen. Die Kritiken für das gepresste Olivenöl waren vernichtend, aber dieser Produzent hält trotzdem an dieser Produktionsform fest. An alten Traditionen festzuhalten, ist manchmal ein Problem in diesem Sektor, eine ähnliche Erfahrung habe ich am Ende meiner Reise in Ligurien gemacht.

Gaetano war sehr daran gelegen, meinen Aufenthalt so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten, so dass ich am zweiten Tag eingeladen wurde mit Alfio Paparo, dessen Pistazien Felder zu besuchen. Bereits am Morgen des Tages kam ich beim Frühstück im von Gaetano ausgesuchten Agriturismo Etna Quota Mille auf über 1000m ü. d. M. mit dem ersten Pistazien-Produkt, einer fantastischen Creme, die meiner Meinung nach jeder Nuss-Nougat Creme überlegen ist, in Kontakt. Auf Anfrage beim Personal war man sich nicht sicher, wer der Lieferant des Produkts sei, im Laufe des Tages hat sich herausgestellt, dass Alfio selbst der Lieferant war. Da das Produkt sozusagen für sich gesprochen hat, habe ich nicht lange gezögert und es in mein Angebot aufgenommen.

Am Abend hat man zu Ehren meines Besuchs ein großes Grillfest veranstaltet. Wie man mir erzählt hat, wird noch bis heute in kleinen Dörfern bei der Rückkehr eines zur Arbeitssuche ausgewanderten Bewohners ein Fest veranstaltet. Dabei werden alle möglichen Plastikstühle und –tische auf die Straße gestellt, so dass für den Verkehr kein Durchkommen mehr ist und Autofahrer drehen und einen Umweg fahren müssen. An dem Tag hat es allerdings stark geregnet, so dass wir uns lediglich in der Olivenmühle ausgebreitet haben und kein Verkehrschaos ausgelöst haben, auf Italienisch würde man sagen: meno male, wörtlich übersetzt bedeutet es, weniger schlimm, man meint aber eigentlich, zum Glück. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich bei dieser Grigliata (Grillfest) Gelegenheit Bratwurst mit Pistazien und Pferdefleisch-Steaks zu essen und muss sagen, dass beides richtig gut war. Aber wer schon Mal auf Sizilien war, weiß, dass auf dieser Insel einfach alles gut schmeckt und die Portionen mitunter überdimensioniert sind.

Die dritte Etappe: Umbrien

Nach einem weiteren Flug und etwa zwei Stunden Zugfahrt kam ich in Spoleto an und wurde von Giusy Moretti am Bahnhof abgeholt. Da es bereits Abend und zudem Sonntag war, standen an diesem Tag keine weiteren Besichtigungen von Olivenhainen oder Olivenmühlen auf dem Programm, sondern wir sind gleich dazu übergegangen die Rohstoffe in seiner verarbeiteten Form in einem Restaurant mit typisch umbrischen Gerichten zu testen. Die Qualität des Essens war auch hier ausgezeichnet, wenngleich die Portionen eher dem Fassungsvermögen meines Magens entsprachen. Nach einer ruhigen Nacht in Ziegengeruch getränkter Luft im Bed & Breakfast der Familie Moretti inmitten von Olivenhainen mit Aussicht auf die Weinberge, auf denen die berühmte Rebsorte Sagrantino di Montefalco kultiviert wird, haben wir uns auf den Weg gemacht, Omero Moretti bei der Ernte in den Olivenhainen zu besuchen. Die 4.500 eigenen Olivenbäume der Familie Moretti werden unter Zuhilfenahme von geringfügigen technischen Geräten von festen Angestellten des Betriebs und saisonalen, selbständigen Ernte-Teams abgeerntet.

Der Einsatz von schweren Erntegeräten, wie sie beispielsweise in Spanien genutzt werden, ist hier nicht möglich, da die Hänge einerseits zu steil sind und viele der Bäume mehrere hundert Jahre und manche sogar über tausend Jahre alt sind und die Erntemaschinen die Rinde verletzen und somit ein Absterben der Bäume die Folge sein könnte. In den intensiven Olivenkulturen Spaniens werden viele der Bäume nur einige Jahrzehnte genutzt und dann durch neue Bäume ersetzt, was fast einem Mord gleicht, denn Olivenbäume sind theoretisch unsterblich. Wer einmal vor einem 1.500 Jahre alten Olivenbaum gestanden und nur ansatzweise versucht sich vorzustellen, was dieser Baum schon alles erlebt haben muss und welche fantastischen Geschichten dieser zu erzählen vermochte, wenn er denn sprechen könnte.

Omero hat während der Gespräche beiläufig angemerkt, dass die Angestellten einen festen monatlichen Lohn erhalten und somit leistungsunabhängig vergütet werden, während die Bezahlung der Ernte-Teams von der geernteten Menge abhängt. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Ernte-Menge der Teams pro Tag um etwa 30% höher ausfällt als der Angestellten. Es war außerdem sehr interessant zu erfahren, wie er durch beständige Arbeit und einem festen Glauben nur biologisch produzieren zu wollen, immer wieder neue Parzellen kaufen konnte und im Laufe seines Lebens diesen wunderschönen landwirtschaftlichen Betrieb mit ausgezeichneter Olivenöl- und Weinproduktion aufbauen konnte. Er versteht sich auch als einer derjenigen, die die Olivensorte San Felice bewahren, denn diese wächst ausschließlich in gewissen Teilen Umbriens und würde bei Umstellung auf ertragreichere Sorten, nicht bestehen können. Das Attribut wunderschön lässt sich auf die Lage der Olivenhaine anwenden. Die sanften Hügel, auf deren Kämmen Zypressen emporragen, das silber-grüne Schimmern der Olivenbäume und die Anfang November bereits rot gefärbten Blätter der Sagrantino Reben hinterlassen den Eindruck einer malerischen Landschaft. Unter Berücksichtigung des wohltemperierten Klimas mag dies für manch einen der perfekte Ort zum Leben sein, ich zähle mich dazu.

Nach der Besichtigung der Olivenhaine, haben wir die beiden Ölmühlen, mit denen die Familie Moretti zusammenarbeitet, besucht. Anders als in Sizilien, wo Gaetano zwar auch über eigene Olivenbäume verfügt, kauft er viele Oliven, die seinen Qualitätsansprüchen genügen, von anderen Erzeugern ab, um seine Olivenmühle auszulasten und ausreichend Olivenöl für den Verkauf unter seiner Marke zur Verfügung zu haben, verfügt die Familie über eine Vielzahl an Bäumen, aber hat keine eigene Mühle, sondern nutzt hierfür die Dienstleistung bestehender Anbieter. Beide Olivenmühen haben bei mir einen guten Eindruck hinterlassen. Auch hier war das Bestreben der Betreiber ersichtlich nur beste Qualität erzeugen zu wollen. In der Tat lässt sich das Zusammenspiel aus hochwertigen Rohstoffen und einem engagierten Frantoiano anhand der Qualität des Endprodukts feststellen.

Die vierte Etappe: Toskana

Nach einer Besichtigung der Kunstaustellung „Emergenza“ in Perugia, der Hauptstadt Umbriens und einem bescheidenen nichtsdestotrotz leckeren Mittagessen mit den Kuratoren der Ausstellung und Giusy Moretti in der Osteria A priori, die ich schon aus einem vorherigen Besuch kannte, ging es am Nachmittag mit dem Zug weiter nach Florenz. Dort angekommen suchte ich mir eine Trattoria in Bahnhofsnähe, um die Wartezeit auf meine Abholung durch Samuele, der zusammen mit seiner Frau Federica die Azienda Agricola Talente betreibt, mit der ersten Pizza der Reise zu verkürzen. Etwa eine halbe Stunde nach der Abholung sind wir in San Casciano angekommen, wurde ich in einer netten Pension zur Sammlung von Kraft für den nächsten Tag abgesetzt.

Am nächsten Morgen wartete Samuele bereits im gegenüberliegenden Cafè auf mich. Beim Frühstück überreichte ich ihm mein Gastgeschenk, das ich für jeden meiner Lieferanten mitgebracht habe, einen künstlerischen Fotokalender für das Jahr 2016 mit Motiven aus Berlin. Er reagierte nach meinem damaligen Ermessen etwas komisch, in dem er sagte: “Porca miseria“ (übersetzt bedeutet dies nämlich: Verdammt noch mal!), was mir bis dahin nur als Kraftausdruck bekannt war und eher einem Fluch als einem Segen glich. Wie ich im Laufe des Tages feststellte, wird dieser Ausdruck in dem Teil der Toskana, als Universalausdruck, der sowohl Freude als auch Leid beschreibt, benutzt. Dies hat mich beruhigt und ich habe verstanden, dass es positiv und nicht abwertend gemeint war. Nach dem Frühstück sind wir in die etwa 10 Minuten entfernte Olivenmühle gefahren.

Durch die Mühle wurde ich von Daniele, dem Frantoiano des Betriebs, geführt. Er hat auf die Besonderheiten der Olivenöl-Produktion in diesem Teil der Toskana hingewiesen und auf die für ihn größte Herausforderung aus den in dem Gebiet vorherrschenden Olivensorten Frantoio, Moraiolo und Leccino ein gutes Mischungsverhältnis zu erzielen und damit ein zwischen den Hauptcharakteristika Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe ausgewogenes Olivenöl herzustellen. Die Olivensorten Frantoio und Leccino führen bei der Anlieferung gesunder Oliven und optimaler Verarbeitung zu intensiven Olivenölen, wobei aus der Sorte Moraiolo ein mildes Olivenöl gewonnen wird. Die Kunst ist es nun diese Olivensorten entsprechend zu mischen. Da ich die von Daniele produzierten Olivenöle bereits in den vergangenen Jahren probieren konnte, kann ich nur bestätigen, dass er ein Kenner seines Handwerks ist. Auf dieser Etappe habe ich meiner Meinung nach das für mein Verständnis perfekte Olivenöl probiert. Dieses Olivenöl stammte von einem Lot grüner, gesunder Oliven, die anscheinend zum optimalen Zeitpunkt geerntet wurden. Der Geruch war bereits unheimlich ansprechend und im Geschmack war es einfach vollmundig, aromatisch, angenehm bitter und genau mit der richtigen Schärfe im Abgang versehen. Ich bat Daniele daraufhin für mich nur Olivenöl dieses Kalibers abzufüllen, zu 100% wird dies nicht möglich sein, aber die Richtung sollte er hinbekommen.

Nach der Besichtigung der Olivenmühle habe ich mit Corrado, Federicas Vater und Gründer des Betriebs, sämtliche Olivenhaine besucht. Sämtliche bedeutet nämlich über 20 Stück, denn die Familie verfügt über 22.000 Bäume, wovon 5.500 in eigenem Besitz und die Restlichen angemietet sind. Dieser Produktionsbetrieb verfügt somit nicht nur über eine eigene Olivenmühle, sondern verwendet für die Olivenöl-Produktion und den Vertrieb der eigenen Marke „Olio Cassiano“ ausschließlich eigene Oliven. Bei der Ernte werden hier, genauso wie in Umbrien, selbständige Ernte-Teams eingesetzt. Die Ernte erfolgt auch hier entweder unter Zuhilfenahme geringfügiger technischer Hilfsmittel in Form von Rächen, die eine Art Klappe bilden und von Druckluft betrieben werden oder sogar komplett von Hand, wie es jahrhundertelang gemacht wurde. Der Betrieb verfügt zwar über große Erntemaschinen, hat diese aber ausrangiert, weil der Schaden an den Bäumen zu groß war. Außerdem stehen aufgrund der EU-Südosterweiterung und des Migrantenzustroms aus Afrika genügend günstige Arbeitskräfte auf dem italienischen Arbeitsmarkt zur Verfügung, so dass die Ernte von Hand auch wieder erschwinglich geworden ist. Corrado hat mir erzählt, dass noch in den 90er Jahren italienische Rentner, die sich ein Zubrot verdienen wollten, für die Ernte beschäftigt wurden. Allerdings waren diese nicht schnell genug, so dass man zu den Erntemaschinen übergegangen ist und bei den nun vorherrschenden Bedingungen wieder von diesen Abstand genommen hat.

Beim Abendessen mit Federica und Samuele und dem typischen Gericht der Fiorentina, ein riesiges Rindersteak mit Fettkruste, haben wir über die diesjährige Olivenernte gesprochen, die Aussichten hochqualitatives Olivenöl auch in Zukunft herstellen zu können und was man tun müsste, um dem Betrug im Olivenöl-Bereich zu begegnen. Als Ergebnis des Gesprächs konnten wir uns darauf einigen, dass der Betrug nur mit Hilfe der Politik und der Verabschiedung von strengeren Gesetzen einzudämmen sei. Auch diese Etappe hat wieder viele, neue Einblicke in die Welt des Olivenöls eröffnet und mich das Produkt natives Olivenöl extra besser verstehen lassen.

Die fünfte Etappe: Ligurien

Am nächsten Morgen ging es durch den Stau um und in Florenz zum Hauptbahnhof, wo ich in letzter Minute meinen Zug nach Genua bekommen habe. Während der vierstündigen Zugfahrt hatte ich viel Zeit meine Gedanken zu ordnen und diese tollen Erlebnisse der letzten Tage in Ruhe zu reflektieren. In Genua, der Stadt, in der ich vor 10 Jahren mein Erasmus-Semester absolviert habe und wo meine Passion für Italien seinen Ursprung hat. , angekommen, erwartete mich bereits am Bahnhof einer sehr guter Freund, Stefano Goldschmied und derjenige, der mir den Weg zu hochwertigen Lebensmitteln aufgezeigt hat. Bei dem Gedanken an das Wissen über Olivenöl zur Gründung von Olio Costa und den dürftigen Informationen über gutes Olivenöl und hochwertige Lebensmitteln, muss ich immer wieder schmunzeln. Aber ich habe es schon damals gut gemeint und Olio Costa aus Überzeugung gegründet, um auch in Deutschland hochwertige italienische Produkte erhältlich zu machen. An dieser Einstellung hat sich bis heute nichts geändert und Olio Costa ist seiner Linie immer treu geblieben, deswegen wird nach wie vor nur italienisches natives Olivenöl extra verkauft.

Am kommenden Tag sind wir in die Olivenmühle nach Recco gefahren. Was ich dort beobachten konnte, hat mich allerdings erschrocken und hatte nicht viel mit dem, was ich vorher gesehen habe zu tun. Die Olivenmühle arbeitet ausschließlich als Dienstleister und extrahiert das Olivenöl für Privatleute, die über Olivenbäume verfügen. Auch in Sizilien kamen viele Privatleute, wobei dort die Personen die Oliven in kleinen oder großen Kunststoffkisten angeliefert haben, was besonders wichtig ist, um den Defekt „Erhitzt“ zu vermeiden. Dies war in dieser Olivenmühle nicht der Fall. Nahezu ausnahmslos haben alle Leute die Oliven in Säcken angeliefert. Das macht man aufgrund des bestehenden Kenntnisstands über die Auswirkungen der Säcke auf die Ölqualität nicht mehr, dachte ich. Die Kunden dieser Olivenmühle sind anscheinend aber resistent gegenüber neuen Erkenntnissen und verfahren lieber weiter, wie sie es seit jeher getan haben. Auch die Qualität der angelieferten Oliven ließ so Einiges zu wünschen übrig, so waren die meisten überreif, hatten Druckstellen und waren teilweise von der Olivenfliege angefressen. Den Vogel hat allerdings Beppe Grillo, der vormalige Satiriker und heutige Politiker und Anführer des Movimento 5 Stelle, hat von einem seiner Mitarbeiter Oliven anliefern lassen, deren Verarbeitung von der Olivenmühle mit der Begründung, dass es sonst einen Tag lang stinken würde, abgewiesen wurde. Allerdings ist auch dies als eine wichtige Erfahrung einzustufen, weil mir dadurch vor Augen geführt wurde, dass man selbst in Italien nicht immer bestrebt ist, die beste Qualität zu erzielen, sondern manchmal auch so viel Öl wie möglich aus der Olive zu gewinnen, deswegen haben sich auch alle vor der Olivenmühle über die hohe Ausbeute von 22 – 24% gefreut, dass das Ergebnis nicht als natives Olivenöl extra eingestuft werden kann, war ihnen dabei egal.

Diese Mühle ist aber glücklicherweise nicht repräsentativ für Ligurien, denn vor allem auf der Ponente Seite, also westlich von Genua, gibt es viele kleine und mittlere Erzeuger die durchaus sehr gute Olivenöle aus der Taggiasca Olive produzieren. Die Anlage von Anna Ghiglione aus Dolcedo bei Imperia habe ich im vergangenen Jahr besucht und habe dort alles genauso weit entwickelt und auf dem neuesten Stand der Technik wie auch in Sizilien, Umbrien und der Toskana vorgefunden.

Fazit

Die 17 Tage währende Reise durch verschiedene Regionen mit unterschiedlichen Realitäten hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Olivenöle waren nahezu alle hervorragend, die Olivenhaine waren allen Orten ein schöner Anblick und das Essen war überall gut. Was die Reise jedoch zu etwas ganz Besonderem gemacht hat, waren die Menschen, denen ich begegnet bin, die sich Zeit für mich genommen haben und deren Gastfreundlichkeit ihres Gleichen sucht. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle von ganzem Herzen bei Mariano, Gaetano, Antonella, Antonio, Patrizia, Alfio, Giusy, Omero, Daniela, Federica, Samuele, Corrado und Stefano bedanken!

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